Juni 2019: Hagelunwetter gefährdet Segler und eine Monster-Hitzewelle
Von Peter Engelmann, 4.7. 2019
Der Mai 2019 war nach langer Zeit der erste Monat in Mitteleuropa, der nicht zu warm ausfiel. Es gab auch mehrere regnerische Tage. Es schien, as ob sich das Wetter im Vergleich zu 2018 normalisieren würde. Das war vor dem Juni. Am Pfingstmontag erlebten die Menschen im Raum München ein extremes Hagelunwetter. Auch anderswo gab es Unwetter. Später folgte eine der extremsten Hitzewellen, die je in Europa verzeichnet wurden.
Die Gewitter und Unwetter kamen nicht unvorhergesehen an Pfingsten. Die Wettermodelle zeigten für die Alpen und Oberbayern schon Tage zuvor eine hohe Wahrscheinlichkeit für unwetterartige Gewitter. Doch die Ereignisse am 10 Juni bewiesen einmal wieder wie schwer es ist, eine präzise Warnung herauszugeben. Die Wetterentwicklung bleibt in ihren Details oft unberechenbar.
Der Pfingstsonntag, 9. Juni, war ein mehr oder minder ruhiger Tag. In Oberbayern und anderen Regionen wurde es wärmer. Die Wetterdienste veröffentlichten Warnungen für den nächsten Tag. Am Montag, den 10. Juni, war bereits um 7.00 das Alarmsystem am Ammersee in Oberbayern aktiv. Doch für die meiste Zeit des Tages blieb es ruhig. Eine Menge Touristen genossen den Feiertag. Viele Segelboote waren unterwegs, die Strände voller Badegäste. Die Wasserwacht und die Wetterdienste erwarteten aber, das noch etwas geschehen würde.
Das Wetterradar zeigte stärker werdende Signale im Allgäu in der Umgebung von Kempten nach Mittag. Hier entwickelte sich eine unglaublich starke Gewitterzelle. Als ich selbst mehrmals die Radarbilder betrachtete, konnte ich aber nicht vorhersehen, in genau welche Richtung das zieht und vor allem wie schnell dieser Sturm ostwärts vorankommen würde. So war ich auch überrascht, als es an diesem späten Sommernachmittag sehr dunkel wurde.
Um 16.23 wurden die orangenen Alarmlichter an den Bayerischen Seen wieder aktiviert. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch zahlreiche Segelboote auf dem Wasser. Am Wörthsee warnte die Wasserwacht die Badegäste und der Strand wurde geräumt. 50 Minuten später brach am Ammersee die Hölle los. Der Starnberger Merkur berichtete davon in einer packenden Reportage.
Alex Beck, ein Segler, berichtete den Merkurreportern, dass der Gewittersturm regelrecht herangerast sei. Bald darauf hatte die Wasserwacht alle Hände voll zu tun.
Das Gleiche galt für die Feuerwehr und die Polizei: Das Hagelunwetter hinterließ eine Schneiße der Zerstörung. Diese begann im Allgäu, traf einige Orte im Norden der Ammerseeregion, aber auch der westliche und nördliche Raum Münchens war betroffen.
Hagelstürme sind in Oberbayern eigentlich nicht ungewöhnlich. Es gibt sogar eine ausgesprochene Historie für Mai- und Pfingstunwetter. Was so überraschend war, war der Pfad, der schwer vorherzusehen war. Großen Hagel erlebt man häufiger im Südosten Oberbayerns, wo es sogar eine spezielle Hagelflieger-Gruppe gibt. Ich fand keine Hinweise von Meteorologen darüber, aber ich bin mir sicher, dass dies eine Superzelle war. Superzellen tendieren stärker zu unberechenbaren Zugbahnen.
Die Intensität und die Ausdauer des Unwetter war der andere ungewöhnliche Faktor. Ich habe selber starke Windböen und kleineren Hagel an diesem Tage beobachten können (siehe Video). Doch 10 km weiter nördlich vielen Hagelkörner mit der Größe von Tennisbällen vom Himmel.
Binnen Minuten wurden Dächer zerstört, zahllose Autos beschädigt, ein Autobahntunnel unter Wasser gesetzt, ein Supermarkt dauerhaft geschädigt und Gewächshäuser völlig zerstört. Die Kosten werden auf 30 Mio. Euro geschätzt.
Zur selben Zeit kämpften Menschen auf dem Ammersee ums Überleben. Ein Paar klammerte sich an sein gekentertes Segelboot, andere waren gestrandet und ein Segelpaar rettete sich nur mit Hilfe der “Persenning”, einem Schutzbezug für das Boot, vor dem Hagelbombardement. Sie hatten eine Boje erreicht, konnten aber das Schiff nicht verlassen und mussten das Ende des Sturms abwarten. In dieser Zeit erlebten sie Wellen wie nie zuvor auf dem Ammersee, wie sie dem “Starnberger Merkur” berichtet
In den folgenden Wochen begannen die Menschen sich von dem Hagelunwetter zu erholen, regelten Versicherungsangelegenheiten, reparierten Autos, Fenster und Häuser. Es gab noch mehr Gewitter aber kein vergleichbares Ereignis wie die Zelle vom 10. Juni. Doch ein weiteres Extremwetterereignis warf seine Schatten voraus.
Die Wettermodelle sagten für die zweite Junihälfte eine enorme Hitzewelle voraus. Selbst die Meteorologen waren überrascht über die Zahlen, die sie in den Modellläufen fanden. Saharahitze sollte ihren Weg direkt nach Europa finden. Zum Großteil behielten diese Modelle Recht. Zwar wurde in Deutschland nicht die 40 Grad Marke geknackt. Nichtsdestotrotz gab es viele Extreme und neue Allzeit-Temperaturrekorde. Es dauerte nicht lange, bis Waldbrände, die schon im Frühjahr ein Problem waren, wieder aufloderten.
Frankreich erlebte die schlimmsten Seiten der Hitzewelle mit deutlich über 40 Grad und neuen Rekorden seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Regierung musste den Notstand verhängen. Besonders Südfrankreich war betroffen.
Die Situation beruhigte sich zum Monatsende. Am ersten Juli überquerte eine Kaltfront Süddeutschland mit Gewittern. Immer noch gibt es im Norden Deutschlands Waldbrände. Die Hitzewelle war nur Teil eines Problems, das das Potenzial zur größten Bedrohung in naher Zukunft hat: In weiten Teilen Deutschlands herrscht immer noch Dürre. Gerade eben hat die Regierung eine Studie veröffentlicht, was passieren könnte, wenn es zu einer mehrjährigen Dürreperiode kommen wird.