Waldsterben im Harz

Erinnern wir uns noch an das “Waldsterben” in den 80er Jahren? In Deutschland und in anderen europäischen Ländern war das ein wichtiges politisches Thema. Es gab geradezu apokalyptische Ängste, dass alle Wälder durch sauren Regen vernichtet werden könnten.

Wissenschaftler hatten herausgefunden, dass die Luftverschmutzung durch Chemikalien eine kritische Konzentration erreicht hatte, selbst da wo Kraftwerke und Industrie sich in großer Entfernung befanden. Die Bilder einer Vielzahl toter Bäume im Schwarzwald, im Harz und im Bayerischen Wald schockten die Öffentlichkeit.

Eine gesellschaftliche Umwälzung war die Folge. Durch die politische Debatte über das Waldsterben kam es zum Aufstieg der Grünen und neuen Gesetzen, die besseren Umweltschutz garantieren sollten. Die Apokalypse blieb aus. Das  Thema “Waldsterben” verschwand schließlich aus den Schlagzeilen.

Doch die Probleme erwiesen sich als weitaus komplizierter, als man zunächst angenommen hatte.  Der Wald erholte sich. Sicherlich waren die Maßnahmen zum Schutz der Luft richtig und notwendig, aber es erwies sich, dass die ursprünglichen Annahmen der Wissenschaftler so nicht richtig waren.

Es war nicht immer der saure Regen, der Bäume sterben lies. Heute wissen wir, dass wir es mit einer komplexen Verkettung von Umständen zu tun haben, die wir immer noch nicht völlig verstanden haben.

Nun sehen wir wieder dramatische Bilder im Harzgebirge. Diese Aufnahmen entstanden im Westharz auf einer Wanderung von Torfhaus zum Achtermann im Sommer 2018. Es gibt dort einen fantastischen Weg von Torfhaus nach Braunlage, einem Skizentrum im Winter. Doch diesmal erinnerte die Szenerie, als man näher an Braunlage heran kam, an den Endzeitfilm “The Road”.

Die Behörden des Nationalparks sagen, dass dieser Verfall, der nicht beeinflusst wird, so in Ordnung sei. Diesmal ist nicht der saure Regen verantwortlich, sondern der Borkenkäfer. Das Management möchte bewußt diese Bäume, überwiegend eine Fichtenmonokultur, sterben lassen, und dort einen gesünderen Wald heranwachsen lassen..

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass dieses Vorgehen der Nationalparkverwaltung zu einer großen politischen Kontroverse geführt hat. Es gibt aber Beispiele, die belegen dass das Management hier auf dem richtigen Weg ist. Vor einigen Jahren gab es die gleiche Diskussion im Bayerischen Wald. Tatsächlich erholt sich der Wald, aber es dauert viele Jahre, bis die Besucher den Wald wieder in seiner ganzen natürlichen Schönheit genießen können. Und wieder scheint es so, dass wir noch nicht so genau wissen, was eigentlich vor sich geht.

Der Klimawandel ist der große neue Player im Spiel. Anders als beim Borkenkäfer und dem sauren Regen sind die Folgen viel schwerer vorherzusagen. Der Wald leidet unter Hitze und Trockenheit im Sommer. Üblicherweise fällt im Harz eine Menge Regen im Sommer, bei Torfhaus zum Beispiel 1600 mm pro Quadratmeter. Die Berge des Harzes befinden sich weit nördlich in Deutschland und die Tiefdrucksysteme, die vom Atlantik kommen, liefern eine Menge Regen.  Das Klima im Harz ähnelt mehr dem in Skandinavien.  Doch dieses änderte sich über die letzten Jahre konstant. 2016 war schon zu trocken und 2018 war dramatisch. Die Hitze produzierte perfekte Bedingungen für den Borkenkäfer. Die Bäume waren bereits durch den Wassermangel geschwächt. Aber es gibt noch weitere Probleme.

In den letzten Jahren haben verheerende Stürme wie “Sebastian” und Friederike” enorme Verwüstungen angerichtet.  Sie fällten viele Bäume. Es ist trotzdem sicher die beste Idee, die Monokulturen zu beseitigen. Aber wir können nicht mit Sicherheit sagen, was passieren wird , genau wie vor 30 Jahren.  Die Nationalparkverwaltung tut ihr Allerbestes, aber wir befinden uns in einer Situation mit massiven globalen Veränderungen.  Wir haben begonnen, in einer anderen Welt zu leben. Das Waldsterben ist wieder zu einer realen Bedrohung geworden. Wir wissen nicht, ob wir wirklich noch die Kontrolle haben. Wir haben gelernt, dass manche Annahmen, die vor 30 Jahren über die Ursachen des Waldsterbens gemacht haben falsch waren, und nichtsdestotrotz gab es eine ganz reale Bedrohung. Und heute ist es ganz ähnlich.  Jetzt ist es das Wichtigste, offen zu sein, in ale Richtungen zu denken, und vor allem stärkere Schutzmaßnahmen für alle Wälder in Kraft zu setzen. Daneben ist es wichtig, mehr in die Forschung, insbesondere auch in die Grundlagenforschung, zu investieren.

Stock photography by Peter Engelmann at Alamy